Lösungsmöglichkeiten der Hafenhinterlandverkehre
Kein St. Florians-Prinzip – Bürgerbündnis arbeitet an einem Alternativ-Konzept
Wir werden allerdings mit unseren Protesten nur dann Erfolg haben, wenn wir die besseren Argumente vortragen. Daher distanziert sich das Bürgerbündnis von dem oftmals praktizierten St. Florians-Prinzip, in dem es selbst Lösungsmöglichkeiten für realistische Alternativen entwickelt.
Da tendenziell immer mehr Güter von den deutschen Nordseehäfen (insbesondere HH, bei Ertüchtigung auch Jade-Weser-Port) verteilt werden müssen, müssen Bund, Land und hinsichtlich des Schienenverkehrs die DB AG überlegen, wie sie diese Aufgabe lösen.
Wir haben im Gespräch mit Experten deutliche Hinweise darauf, dass diese Verkehrsabführung über die Bestandsstrecken ggfs. mit Ausbau dieser Gleisanlagen möglich ist und die Zerschneidung unberührter Landschaften nicht erforderlich ist. Dies möchten wir hier vereinfacht darstellen. Eine entsprechende Stellungnahme befindet sich in Ausarbeitung.
Eine detaillierte gutachterliche Bewertung können wir nicht abgeben. Dafür bedarf es eines verkehrsfachlichen Gutachtens.
Zu den Themen „Bedarfe/ Verkehrsprognosen“ und „Breimeier-Trasse“ haben wir schon Stellungnahmen erarbeitet, die wir im Folgenden vorstellen:
1. Bedarfe/ Verkehrsprognosen
An erster Stelle steht die wichtigste Frage überhaupt: Gibt es für einen Streckenneubau von Nord nach Süd überhaupt einen Bedarf? Hier gibt es massive Zweifel an den Bedarfs- und Prognosezahlen der Bahn. Denn es steht fest, dass ein Teil der Machbarkeitsstudie bereits heute schon Makulatur ist. Die Projektstudien wurden auf der Grundlage der vom Bundesverkehrsminister erstellten „Verkehrsprognose 2025“ gerechnet. Diese Prognosen wurden bereits im Frühjahr 2014 deutlich nach unten korrigiert. Nach den neuesten Vorhersagen des Bundesverkehrsministers gibt es zum Teil drastische Reduzierungen der Verkehrszuwächse. So wurden der Personenverkehr auf Straßen und Schienen um 8 % nach unten korrigiert. Beim Eisenbahn-Güterverkehr sind es 22 % und im Straßen-Güterverkehr wurden die Prognosen sogar halbiert (!).
Selbst diese Annahmen hält das Bürgerbündnis für geschönt, weil sie von einem Wachstum des Bruttoinlandsprodukts von 1,1% p.a. und von konstant bleibenden Transportkosten ausgehen. Der wohl gravierendste Fehler bei den Verkehrsprognosen ist die Tatsache, dass die Rahmenbedingungen für eine verlässliche Kosten-Nutzen-Analyse nicht feststehen. Damit ist jede Berechnung eine Lotterie – denn wenn beispielsweise die Elbvertiefung nicht kommt, sind die Zukunftsprognosen für den Hamburger Hafen nur noch Altpapier.
Außerdem weiß kein Experte und kein Politiker, wie sich der Jade-Weser-Port entwickelt. Wird er ein Milliardengrab oder nicht? Fest steht nur, dass zurzeit alle Berechnungen reine Spekulationen sind. Hier fehlt ein norddeutsches Hafenkonzept, ohne das letztlich alles nur ein Sandkastenspiel ist.
Das Bürgerbündnis stellt fest, dass selbst die Bahn ihre eigenen Zukunftsentwicklungen nicht berücksichtigt. Laut Medienberichten will die Bahn in 10 bis 15 Jahren die Länge der Güterzüge auf 1.500 Meter verdoppeln. Damit würden sich die Transportkapazitäten wesentlich erhöhen.
Das Bürgerbündnis hat einige Fachleute befragt – u.a. Experten, die selbst bei der Bahn tätig waren. Einer von ihnen hat die Y-Trasse und die vorliegenden Planungsvarianten als „Blödsinn“ bezeichnet, weil sie nicht das eigentliche Problem lösen – nämlich die Entlastung der Knotenpunkte Hamburg – Bremen – Hannover. Daher arbeiten wir an einem Konzept mit folgenden Eckpunkten:
- verbesserte Auslastung der vorhandenen Bestandsstrecken
- punktuelle und intelligente Ausbaulösungen an den Bestandstrecken
- Ausbau vorhandener Strecken, die bereits im Bundesverkehrswegeplan als „vordringliche Maßnahmen“ verzeichnet sind.
- Zu den vorgenannten Maßnahmen zählen die Amerika-Linie und die Strecken Rotenburg – Minden sowie Uelzen – Stendal. Mit dem Ausbau dieser Bestandsstrecken ist keine größere Lärmbelästigung für die Anwohner zu erwarten, weil diese beim Ausbau Anspruch auf einen effizienten Schallschutz haben, der heute nicht gegeben ist.
2. Breimeier-Variante
Der Landesverband Niedersachsen des Verkehrsclubs Deutschland (VCD) hat auf einem vom ihm veranstalteten Bahnkongress am 7.10.2014 in Hannover einen weiteren Trassenverlauf ins Spiel gebracht. Benannt ist sie nach dem ehemaligen Bundesbahnplaner Dr. Breimeier.
Der Neuvorschlag sieht unter anderem eine weitgehend neu zu trassierende Bahnlinie vor, die vom Hamburger Hafen Richtung Westen, an Neu Wulmstorf vorbei, dann Richtung Süden entlang der Bundesstraße 3 bis Buchholz verläuft, von dort die aufgegebene Trasse der ehemaligen Nebenbahn Buchholz – Lüneburg nutzt und über die Wendlandbahn, dann weiter die Elbe bei Dömitz querend bei Wittenberge an den sog. Ostkorridor anschließt.
Die genaue Trassierung ist der vom Ingenieurbüro Dr. Hein erarbeiteten Studie „Entwicklungspotenziale der Eisenbahninfrastruktur im Seehafenhinterland Niedersachsens als alternative Y-Trasse“ zu entnehmen. Zu finden ist sie als Kurz- und Langfassung unter Link: www. vcd.org/nds.
Das Bürgerbündnis Nordheide lehnt diesen Vorschlag aus folgenden Gründen entschieden ab:
- Die vorgeschlagene Trasse ist weitestgehend eine Neubaustrecke mit erheblichen negativen Auswirkungen auf Mensch und Natur und unterscheidet sich insoweit in keiner Weise von den Neubautrassenalternativen der Bahn. Der Hinweis, insbesondere zwischen Buchholz und Lüneburg nutze man eine bereits vorhandene Eisenbahnstrecke, die es nur zu reaktivieren gelte, ist irreführend. Von dieser ehemaligen Strecke ist lediglich noch der Bahnkörper vorhanden. Gleise gibt es dort schon lange nicht mehr.
Die zu erwartenden Raumwiderstände werden deshalb deutlich höher sein, als die Verfasser der Studie es Glauben machen wollen. - Die für den Vorschlag genannten Kosten werden bei weitem nicht ausreichen, weil nach den heutigen gesetzlichen Anforderungen anfallende kostenintensive Baumaßnahmen für Dämme, Brücken, Lärmschutz etc. nicht berücksichtigt sind.
- Die Möglichkeit einer Doppelstockverladung von Containern ist reines Wunschdenken. Eine solche Betriebsweise scheitert schon an den Fahrdraht-, Brücken- und Tunnelhöhen, vor allem im Hamburger Hafen und in den Bahnhöfen Buchholz und Lüneburg. Folglich kann der behauptete verkehrliche Nutzen dieser Trasse gar nicht eintreten.
- Mit der demnächst startenden weiteren Ausbaustufe zum durchgehend zweigleisigen Ausbau der Amerikalinie im Abschnitt Uelzen- Stendal hat sich der Bund festgelegt, den Ostkorridor über diese Strecke anzubinden. Die Breimeier- Variante wäre als weitere parallele Anbindung des Ostkorridors volkswirtschaftlicher Unsinn.